Dr. André Uzulis
Der Westen meldet sich ab
US-Präsident Barack Obama hat den militärischen Rückzug aus Afghanistan angekündigt. "Our mission will change from combat to support - Unsere Kampfmission wird zu einer Unterstützungsmission", sagte er. In solche Worte kleiden kann man einen militärischen Misserfolg. Obama will das Thema vom Tisch. Mehr als 430 Milliarden Dollar hat der Kampf gegen die Taliban in Afghanistan gekostet. Er ist zu teuer und untragbar für die kriegsmüde amerikanische Nation geworden. Der Rückzug bedeutet nach Vietnam den zweiten verlorenen Krieg in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Kaum dass Obama seinen Plan verkündet hat, folgte ihm der französische Präsident Sarkozy. Der Westen meldet sich ab aus Afghanistan.
Geheimdienstexperten sind sich einig, dass die Taliban nun nur abwarten müssen. Die Zeit arbeitet für sie. Sind die NATO-Truppen erst einmal aus dem Land abgezogen, könnten sie über kurz oder lang wieder die Macht übernehmen. Die afghanische Armee ist kaum in der Lage, das fragile politische System dauerhaft zu schützen. Auch wird es nicht möglich sein, die Truppe in der verbleibenden Zeit derart auszubilden, dass sie ein Garant der Sicherheit am Hindukusch ist. Am Ende könnte Afghanistan wieder zum Terrornest werden, so wie es das unter der ersten Talibanherrschaft von 1995 bis 2001 schon einmal war.
Außer Spesen und jeder Menge toter westlicher Soldaten nichts gewesen? Das wäre ein schlimmes Fazit dieses Krieges gegen einen weithin unsichtbaren Feind. Der militärische Sieg über die Taliban ist der NATO nicht gelungen. Dennoch: Man steigt nie in denselben Fluss, heißt ein Sprichwort. Auch die Taliban können die Zeit nicht zurückdrehen. Die Afghanen haben ihre Terrorherrschaft erlebt, sie haben auch die Phase der westlichen Orientierung ihres Landes erlebt. Sie haben erlebt, dass die zurückliegenden Jahre - allen Unzulänglichkeiten zum Trotz - eine bessere Zeit war als je zuvor in dem Land. Halbwegs demokratische Wahlen wurden abgehalten, Schulen gebaut, Frauen konnten wieder Frauen sein und nicht nur Leibeigene ohne Rechte, Milliarden an Hilfsgelder flossen ins Land, die NATO-Truppen brachten Freiheit und einen bescheidenen Wohlstand. Womöglich ist Afghanistan inzwischen weniger anfällig für künftigen Taliban-Terror als man es befürchtet. Das ist die Hoffnung, die Amerikaner und alle am ISAF-Einsatz beteiligten Nationen hegen, wenn sie demnächst nach und nach abziehen. Vielleicht haben die vergangenen Jahre den Taliban in Afghanistan den gesellschaftlichen Nährboden entzogen. Vielleicht... Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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