Westerwelle in Libyen

Überfälliger Besuch

Der Überraschungsbesuch von Außenminister Westerwelle und Entwicklungshilfeminister Niebel in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi war überfällig. Deutschland hat sich in der Libyen-Frage mit seiner Enthaltung zu einem bewaffneten Einsatz gegen das Regime von Muammar al Gaddafi frühzeitig ins Aus manövriert. Ein NATO-Land, das alle Welt gemeinhin fest verankert in der westlichen Gemeinschaft vermutete, schert plötzlich aus der Solidarität aus und stellt sich an die Seite Russlands und Brasiliens - das hatte gesessen. Seitdem sind unsere Partner in der NATO skeptisch, was deutsche Verlässlichkeit im Bündnis angeht.

Und auch die libyschen Freiheitskämpfer waren enttäuscht von der selbstgewählten Isolierung Deutschlands. Sie hätten sich mehr erhofft als wohlfeile Reden aus Berlin über die Rechtmäßigkeit ihres Handelns gegen den Diktator. Sie hätten sich eine Unterstützung der internationalen Militäraktion zum Schutz der Zivilbevölkerung gewünscht.

Westerwelle hatte also viel zu erklären, als er mit den Rebellenchefs in Bengasi zusammentraf. Dies umso mehr, als sich die Anzeichen verstärken, dass Gaddafi so schnell nicht von der Macht zu bringen sei. Entsprechende Befürchtungen hat der britische Admiral Mark Stanhope geäußert. Die Royal Navy kämpft offensichtlich am Rande ihrer Kapazitäten in Libyen und braucht dringend Unterstützung. Von Deutschland wird sie jedenfalls nicht kommen, dazu war die Position Berlins dogmatisch-eindeutig, man kann auch sagen: undiplomatisch, formuliert.

Es wird also darauf hinauslaufen, dass Deutschland Geld in die Hand nehmen wird und die Rebellen im Osten Libyens mit allem unterstützt, was nicht-militärisch ist. Gute Gesten gehören auch dazu wie die Eröffnung eines Verbindungsbüros und eine Einladung der Rebellenchefs nach Berlin. Wenn denn aber in hoffentlich nächster Zeit der Libyen-Einsatz der NATO beendet sein wird, wird sich Deutschland einem militärischen Engagementr in Libyen in der Nach-Gaddafi-Ära zur Sicherung des Friedens im Land und zum Aufbau ziviler Strukturen nicht mehr entziehen können.

Was unser Land jetzt an der Seite der Verbündeten dort zu wenig - oder besser: gar nicht - leistet, wird es dann umso mehr zu leisten haben. Das ist das Mindeste, was unsere Verbündeten vom NATO-Partner Deutschland verlangen können. Einen weiteren Fehltritt wie die Abstimmungsenthaltung im Weltsicherheitsrat wird sich Westerwelle nicht leisten können - persönlich als Politiker nicht, aber auch nicht im Sinne der Bundesrepublik. Denn der Außenminister hat er bei Amtsantritt geschworen, dass er Schaden vom deutschen Volk abwenden würde.

 

 

 

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